Das Ende von Rotklaue

Ich war auf der Suche nach einem bestimmten Wesen. Einem alten Vampir, der schon seit über einem Jahrhundert auf der Flucht vor uns Wächtern war. Doch seine letzten Machenschaften haben sein Ende besiegelt. Der Vampir der in den Dörfern der Region als das Monster mit der Rotklaue betitelt wurde, hatte ein kleines Dorf komplett dem Vampirismus geopfert.

Alle Bewohner wurden zu Vampiren gemacht und ihrem anfänglichen Blutdurst überlassen bis sie sich in der Phase der Blutraserei verfielen. Dutzende reisende Händler sind ihnen zum Opfer gefallen, bis sich die Rotte schließlich auf den Weg in die umliegenden Dörfer gemacht hat. Die Wächter die im Umland waren, konnten den größten Schaden abwenden und es wurde den Anschein erweckt, dass ein großes Rudel Eiswölfe sich aus den Schneebergen im Norden entfernt hatten.

Doch der Vampir selbst war den Berichten, der anderen Wächter, zufolge in den Norden geflohen. Ich vermutete eine alte Höhlenfestung die früher von den Gnomen genutzt wurde. Der restliche Teil der Schneeberge war ansonsten für einen Menschen nicht bewohnbar und auch für einen Vampir kein guter Rückzugsort. Die Vampire die auf Blut angewiesen waren würden dort keine Nahrungsquelle finden.

Von einer anderen Jagd wusste ich jedoch das in der Höhlenfestung einige Blutreserven vorhanden waren. Ebenso war es möglich das er sich einige Menschen als Quelle entführt hatte.

Bevor ich mir jedoch die Schneeberge anschauen würde, wollte ich mir zuerst das Dorf angucken, dessen Einwohner verwandelt worden waren. Ich hatte die Hoffnung einige Spuren oder Hinweise zu finden.

Das Dorf lag hinter einem Fluss in einer großen Lichtung und war ehemals als eine wohlhabende Holzfällersiedlung bekannt.

Ich überquerte den Fluss und konnte an einigen Bäumen vorbei nun die ersten Häuser des Dorfes erkennen. Die Häuser lagen verlassen. Am anderen Ende des Dorfes stieg Rauch hervor. Sofort machte ich mich auf den Weg dorthin.

Das Dorf war nicht komplett verlassen, ich konnte die Präsenzen einiger niederer Vampire spüren die teilweise noch in den Häuser waren und sich vor dem Sonnenlicht verstecken, teilweise aber auch am Waldrand auf geeignete Beute warteten.

Die Wege waren mit Blut besudelt, hier und da konnte man noch die Überreste einiger Menschen erkennen. Sie waren leergesaugt, der Kopf war teilweise abgetrennt.

Ich hörte einige Stimmen aus der Richtung des aufsteigenden Rauchs. Als ich den Ort des Geschehens erreicht hatte sah ich wie sich zwei Händler verzweifelt versuchten mit Stöcken drei wilde Vampire vom Leib zu halten.

Ich schritt hinter den ersten Vampir und riss ihm das Herz aus der Brust, dem zweiten Riss ich mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf von den Schultern. Den dritten Riss ich komplett entzwei. Der starke Geruch des Blutes in dem Dorf hatte meine vampirische und bestialische Seite hervorgelockt.

Die beiden Händler schauten mich voller Furcht an. Mit einer Handbewegung gab ich ihnen zu verstehen von hier zu verschwinden. Eilig rannten sie zu ihrem Karren und machten sich dran das Dorf zu verlassen.

Ich begann die Leichen der Vampire und der Menschen in das Haus zu bringen von dem der Rauch aufstieg. Dort war immer noch ein kleines Feuer vorhanden, welches ich vorhatte größer zu schüren.

Nachdem das Dorf von Leichen und restlichen wilden Vampiren gesäubert war und diese dabei waren zu verbrennen begann ich mir jedes Haus anzuschauen. Ich spürte, dass hier noch ein lebender Mensch war.

Ich betrat ein größeres Gebäude, welches einmal ein Gemeindezentrum gewesen war und stieg hinab in den Keller. Hinter einer verschlossenen Tür konnte ich deutlich einen Herzschlag hören. Ich hörte auf mich lautlos zu bewegen und klopfte an die Tür. Ein leises Wimmern war zu vernehmen.

„Wo ist der Mann hin der hierfür verantwortlich ist?“ fragte ich leise.

Ich bekam nicht sofort eine Antwort, erst hörte ich ein schluchzen bis mir eine schwach, zerbrechliche Stimme antwortete.

„Er ist mit meiner Schwester und meinem Vater, Richtung Norden verschwunden. Er hat ihnen befohlen sich in Pelze einzuwickeln und sie haben alles gemacht was er wollte. Er wollte mich töten wurde dann aber von dem verrückten Schmied angegriffen.“

Die Stimme brauch ab und es war wieder ein schluchzen zu vernehmen. Ich wandte mich ab.

Das ist zu leicht. Ein Vampir von seinem Kaliber macht nicht so schlampige Arbeit. Ich war mir sicher, dass er mir eine Falle stellen wollte. Nur zu gern war ich bereit ihm diesen Erfolg zu gönnen. Rotklaue war im Gegensatz zu mir ein Kleintier. Die Spanne meiner Existenz war mehr als das zehnfache länger.

Bevor ich das Dorf verließ stellte ich sicher, dass alle wilden Vampire in der Umgebung eliminiert wurden, dann steckte ich das ganze Dorf in Flammen. Es durfte keine Überlebenden geben, so grausam das auf war.

Grausamkeit ist eine menschliche Emotion, die für einen Vampir noch viel schlimmer war. Eine kurze menschliche Existenz zu beenden war das eine, eine Jahrhunderte oder Jahrtausend lange Existenz zu beenden etwas ganz anderes.

Ich verließ das Dorf und merkte die Wut in mir hochkochen. Wie konnte Rotklaue es wagen eine Katastrophe zu veranstalten und mich so dazu zu zwingen ein Dorf von dem Antlitz der Welt auszulöschen. Er bedrohte die ganze Existenz der Vampire.

Auf einem kleinen Pfad entlang reiste ich nach Norden. Es dauerte ungefähr drei Tage bis ich die Grenze der Schneeberge erreicht hatte. Am Morgen vollendete ich noch die Mischung meines Lebenselixiers und stürzte mich dann in die eisigen Winde.

Es schneite ununterbrochen und durch das Schneegestöber konnte man weder viel sehen noch hören.

Innerlich hatte ich mich seitdem ich die Grenze zu den Schneebergen passiert hatte auf einen Hinterhalt vorbereitet.

Mit Freude würde ich diesen Abtrünnigen Vampir seiner gerechten Strafe zuführen. Ich würde ihm seine endlose Existenz entreißen und die grenzenlose Leere würde sich seiner annehmen.

In dunklen Gedanken vertieft versuchte ich mich zurecht zu finden. Es war schon einige Jahre, wenn nicht schon Jahrzehnte her, dass ich das letzte Mal hier gewesen bin.

In dem Zentrum der Schneeberge gab es eine Ansammlung von drei großen Bergen. Sie waren in einem Kreis angeordnet und im inneren dieses Kreises gab es ein Tal aus heißen Quellen. Schon oft hatten Händler oder Unternehmer versucht, dort einen Urlaubsort oder ähnliches aufzubauen. Doch die tödliche Vegetation hatte dies immer verhindert. Am kleinsten der Berge war die alte Gnomfestung. Sie war nur in einem kleinen Teil überirdisch. Der große Teil der Festung war unter der Erde. In meiner Erinnerung war es ein riesiges Höhlennetz, welches leider noch in Gnomgröße war.

Wenn ich Rotklaue unterirdisch suchen müsste, dann würde ich einen beträchtlichen Teil meiner Suche auf den Knien nach vorne rutschen bewältigen müssen.

Ich hoffte jedoch, dass er den Berg hinauf geflohen war und sich die dort größere Anlage zu Nutze machen würde. Er konnte sich verstecken und mit seinen Geiseln, sowie den dortigen Vorräten lange auskommen.

Nach einer Zeitspanne, die selbst ich im Umfeld des Schnees als Ewigkeit titulieren würde stand ich endlich vor dem ersten der Berge.

Nun galt es nur noch um die Gebirgskette herumzulaufen und den richtigen Berg emporzusteigen.

Ich begann damit nach dunklen Präsenzen zu suchen und die Schatten anzurufen.

Wächter waren in der Lage mit Schattenwesen, welche oft in normalen Schatten verborgen lagen zu kommunizieren und diese zu nutzen.

Im der Nacht bestand sogar die Möglichkeit, dass die Schattenwesen sich aus ihrem Versteck lösten und auf Geheiß des Wächters hin jagten und mordeten.

Ich fühlte die Präsenz von Rotklaue schwach in meinem Unterbewusstsein und auch die Schatten bestätigten mir das er sich hier aufhielt.

Ich beeilte mich die Berge zu umrunden und fand den kleinen Berg schon bald. Ein schmaler Pfad führte hinauf und aufgrund der Beschaffenheit der kleinen Treppenstufen konnte ich mir sicher sein, dass dieser Weg zu der Gnomfeste führte.

Nach kurzer Zeit stand ich vor einer Eingangstür die in den Berg hineingebaut worden war. Lächelnd flüchtete ich mich in dem Nebel und schwebte durch die Tür. Der Nebel gab mich Preis und ich fand mich in einem dunklen Gang wieder in dem ich so gerade eben aufrecht stehen konnte, jedoch fühlte ich wie meine Haare die Decke berührten.

Ich begrüßte die Dunkelheit nachdem ich mich den ganzen Tag im Weiß des Schnees aufgehalten hatte. Es war schon Abend und wenn ich die Feste verlassen würde, dann würde mich die Dunkelheit draußen ebenso begleiten.

Ich begann damit organisiert die Gänge hinab zu laufe, doch ich wusste schon vorher das Rotklaue sich nicht hier aufhielt. Seine Präsenz war zwar zu spüren doch sie war nicht so nah wie sie sein müsste.

Unmut machte sich in mir breit und ich verließ die Feste und begann damit die Berge weiter entlang zu laufen. Es war finstere Nacht und das einzige was zu hören war, waren meine Schritte im Schnee.

Ich umrundete in übermenschlicher Geschwindigkeit den Gebirgskreis, da meine Geduld sich dem Ende neigte. Rotklaue war die ganze Zeit hinüber zu fühlen, doch schien es mir als würde ich ihn umkreisen.

Schließlich wusste ich wo ich ihn zu finden hatte. Er war in der Mitte des Gebirgskreises, dort wo die heißen Quellen lagen.

Ganz sicher war ich mir nicht wie ich in das Tal kam. Die Händler hatten vor langer Zeit wohl einen Tunnel errichtet um die Anreisenden nicht über die Berge marschieren zu lassen. Jedoch wusste ich nicht mit Sicherheit wo dieser Tunnel war. Bei meinem letzten Besuch war der Bau pausiert worden, jedoch hatte ich gehört das er fertig gestellt wurde.

Ich machte mich wieder auf den Weg die Gebirgskette zu umrunden.

Diesmal jedoch halfen mir die Schatten und nach gerade mal drei Stunden wusste ich wo der Eingang lag.

Schnell begab ich mich dorthin. Der Tunnel war noch da. Zwar war er schwer baufällig, aber für meine Zwecke sollte es ausreichen. Ich durchschritt ihn in Windeseile und befand mich dann im inneren des Gebirgsrings. Einen kurzen Moment blieb ich wie versteinert stehen. Mit diesem Anblick hatte ich nicht gerechnet. Neben einer riesigen heißen Quelle stand ein neuwertiges Herrenhaus. Von diesem ging die Präsenz von Blutklaue aus. In der unmittelbaren Umgebung waren noch Baracken zu sehen. Ich spürte viele niedere Präsenzen, von wilden Vampiren oder solchen die ihrem Blutdurst nur trotzen konnten, wenn sie ausreichend gesättigt waren.

Blutklaue hatte sein eigenes Dorf gegründet und nur Vampire lebten dort. Ich atmete tief durch, denn vor mit stand ein Massaker.

Ich schritt auf die Baracken zu. Die niederen Vampire bemerkten mich nicht. So fand einer nach dem anderen einen schnellen Tod. Bald fühlte ich nur noch die Präsenz des verräterischen Vampirs.

Langsam begab ich mich vor das Herrenhaus und offenbarte meine Präsenz. Alte Vampire können diese gänzlich verbergen und sich auch so vor anderen Vampiren verstecken, doch diese Technik benötigt ein gewaltiges Maß an Übung.

Sofort spürte ich Angst in der Umgebung. Doch Blutklaue wusste, dass er mir nicht mehr entfliehen konnte. Er musste gegen mich kämpfen und dabei hoffen, dass ich einen Fehler machen würde.

So wartete ich nur etwas länger als einen Herzschlag bis schließlich eine Feuerfontäne aus der Eingangstür des Hauses in meine Richtung schoss. Geschmeidig trat ich beiseite und fühlt in den Schatten wo sich mein Ziel befand.

Er war direkt neben der Tür, im nächsten Moment blickten wir uns an und er warf mir mehrere Kugeln entgegen. Einige explodierten noch in der Luft, die anderen an dem Ort an dem ich noch vor einem Atemzug gestanden hatte. Ich reagierte umgehend und wandelte durch den Nebel vor Blutklaue. Ich packt ihn am Hals und warf ihn aus dem Haus heraus. Im nächsten Moment war er schon auf den Beinen und versuchte mir mehrere Beutel entgegenzuschleudern, doch ich stand schon hinter ihm. Ich griff durch seinen Rücken bis ich sein Herz in meinen Händen hielt. Er erstarrte und ich genoss den Moment der Macht.

„Ihr wisst, warum ihr eliminiert werden müsst?“ fragte ich ihn mit leiser, drohenden Stimme.

„Ich wollte nur eine Gemeinschaft bilden, weder den Menschen noch den Vampiren war ich zugehörig. Ein Jahrtausend habe ich versucht meinen Platz zu finden. Ich bereue nichts. Mein Tod soll euch verfluchen und heimsuchen, Wächter!“ spie er mir entgegen.

Ich riss sein Herz mit einem Ruck heraus und er sackte in sich zusammen.

Das Herz warf ich in eine der heißen Quellen. Dann brannte ich alles nieder und verließ die Gebirgskette.

Mein Auftrag war beendet und der Verräter getötet. Erfüllte mich Reue bei meiner Tat? Nein, nicht im Geringsten bereute ich es. Die Vampire durften nicht als Wirklichkeit betrachtet werden. Es war schade, dass ein Vampir der schon ein Jahrtausend existiert hatte, eliminiert werden musste. Doch das hatte er sich selbst zuzuschreiben, denn es war zum Wohle aller.

 

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